Diese Woche ging ich in Hamburg an drei spielenden Kindern vorbei, alle zwischen vier und sechs Jahren alt, die am Eingang zu einer Kellertreppe spielten. Die Eltern der Kinder unterhielten sich wenige Meter entfernt. Im Vorübergehen bekam ich mit, wie sich eine ebenfalls an den Kindern vorübergehende Dame bei den Eltern darüber beschwerte, dass eines der Kinder im Rahmen des gemeinsamen Spiels zwischendurch lautstark schrie. Sie war anscheinend der Meinung, dass dies auf keinen Fall zu dulden sei und die Eltern dafür zu sorgen hätten, dass das Kind sich sofort ruhig verhielte.
Ich selbst habe noch keine eigenen Kinder, habe allerdings schon einige Situationen erlebt, in denen Eltern, die gemeinsam mit ihren Kindern unterwegs waren, von anderen Personen dafür zurechtgewiesen wurden, weil ihre Kinder angeblich zu laut seien. Dabei ist das Lärmempfinden eines jeden Menschen abhängig von der Situation sehr unterschiedlich. Manchen erscheint es schon zu laut, wenn zwei Kinder, gebeugt über ein Buch oder Comic, das sie auf der Zugfahrt lesen, über den Inhalt des Buches diskutieren. Anderen platzt der Kragen, sobald sich Kinder draußen auf dem Spielplatz, der an das eigene Wohnhaus angrenzt, spielend etwas zurufen.
Die Redewendung „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ scheinen sich demnach nicht alle Menschen zu Herzen zu nehmen. Der Bundesgerichtshof und andere deutsche Gerichte hatten diesen Gedanken jedoch scheinbar im Rahmen ihrer Urteilsfindung zumindest im Hinterkopf.
Nach dem Urteil des BGH muss derjenige, der neben einer Schule mit Bolzplatz wohnt, auch Lärm hinnehmen und darf nicht einfach die Miete kürzen.[1] In diesem Fall hatten die Mieter vor vielen Jahren in Hamburg eine Erdgeschosswohnung nebst Terrasse gemietet. Das Grundstück grenzte an eine Schule, auf deren Gelände im Jahre 2010 zwanzig Meter von der Terrasse der Mieter ein Bolzplatz errichtet wurde. Dieser sollte von Montag bis Freitag bis 18 Uhr Kindern im Alter bis 12 Jahren zur Benutzung offenstehen. Die Mieter beschwerten sich ab Sommer 2010 regelmäßig bei ihren Vermietern über die Lärmbelästigungen durch Jugendliche, die außerhalb der genannten Zeiten auf dem Bolzplatz spielten und minderten deshalb die Miete um 20%. Der BGH war dann der Meinung, dass die neu auftretenden Lärmbelästigungen jedenfalls keinen Mangel der Mietsache darstellen, gerade im Hinblick auf das bei Kinderlärm bestehende Toleranzgebot. [2]
Denn der Gesetzgeber hat im Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge, im Bundes-Immissionsschutzgesetz, im § 22 Absatz 1a BImSchG festgelegt, dass Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen und ähnlichen Gebäuden oder Plätzen ausgehen im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung darstellen.[3] Dadurch wird der Lärm spielender Kinder als zumutbar angesehen, es handele sich hierbei um einen Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung.[4]
Und mal ehrlich, wer hat nicht gerne früher mit seinen Geschwistern oder Freunden im Garten herumgetobt, ist durch die Straßen gerannt und hat fangen gespielt. Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, wenn wir uns das nächste Mal etwas gestört fühlen von vermeintlich lärmenden Kindern.
________________________________________________________________________
[1] (BGH, Urteil vom 29.04.2015, Aktenzeichen: VIII ZR 197/14, zitiert nach juris)
[2] Der BGH verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück, weil zu klären sei, ob der Lärm durch Kinder oder durch Jugendliche verursacht werde. Der von Jugendlichen verursachte Lärm fällt nicht unter Toleranzgebot für Kinderlärm.
[3] § 22 Abs. 1a BImSchG
[4] http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/bgh-urteil-keine-mietminderung-wegen-kinderlaerm-a-1031315.html