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Umgangs- und Sorgerechts-Blog
Verfahrensbeistand nicht neutral – kann er ausgewechselt werden?

Verfahrensbeistand nicht neutral – kann er ausgewechselt werden?

Jennifer Otto

Der Verfahrensbeistand ist nicht neutral – Kann er ausgewechselt werden?

Ein Blogbeitrag von Lisa-Marie Schinke

I. Einleitung:

Die Mandanten treten häufig mit der Bitte an uns heran, den für das gemeinsame Kind im Gerichtsverfahren bestellten Verfahrensbeistand auszuwechseln. Sie empfinden den Verfahrensbeistand nicht als neutral und wahnsinnig einseitig agierend und fühlen sich oft missverstanden und falsch wiedergegeben. Aber muss der Verfahrensbeistand überhaupt neutral sein? Und was kann ich tun, wenn der Verfahrensbeistand „befangen“ wirkt?

Ein Verfahrensbeistand ist in Verfahren häufig nicht neutral – und äußert sich oft auch mal für den jeweils anderen Elternteil. Doch dass der Verfahrensbeistand sich immer neutral positionieren muss und keine Partei ergreifen darf, ist ein weit verbreiteter Irrtum. An dieser Stelle ist es dann unsere Aufgabe den Mandanten zuerst zu erklären, dass es nicht in den Aufgabenbereich eines Verfahrensbeistands fällt, neutral zu agieren. Diese Aufgabe kommt den Gerichtspersonen zu, wozu der Verfahrensbeistand gerade nicht zählt. Der Verfahrensbeistand vertritt im Verfahren die Interessen der Kinder – und muss aus diesem Grund den Eltern gegenüber nicht zwingend neutral sein.

Welche Rolle der Verfahrensbeistand im kindschaftsrechtlichen Verfahren einnimmt und was zu seinen Aufgaben zählt, haben wir bereits in unserem Blogbeitrag „Rolle und Bedeutung des Verfahrensbeistands“ beschrieben:

Falls hier Unsicherheit besteht – könnt ihr das hier noch einmal nachlesen!

Auch wenn die Mittel und Hürden, einen Verfahrensbeistand auszuwechseln, begrenzt sind, gibt es die Möglichkeit, einen einmal vom Gericht bestellten Verfahrensbeistand während des Gerichtsverfahrens zu entpflichten und gegen einen neuen Verfahrensbeistand auszuwechseln. Die Gründe für eine Entpflichtung variieren dabei im Einzelfall stark. Es muss immer der konkrete individuelle Fall betrachtet werden.

II. Die Auswechslung des Verfahrensbeistands – Welche Möglichkeiten gibt es?

Wann ist nun aber eine Auswechslung des Verfahrensbeistandes möglich, wenn der Verfahrensbeistand nicht neutral handelt?

1. Besteht die Möglichkeit der Befangenheitsrüge, wenn der Verfahrensbeistand nicht neutral ist?

„Der Verfahrensbeistand ist nicht neutral und steht nur auf der Seite der Mutter/des Vaters. Bitte stellen Sie einen Befangenheitsantrag gegen den Verfahrensbeistand. Ich möchte, dass dieser ausgewechselt wird.“. So oder so ähnlich lauten häufig die Bitten unserer Mandanten in Erstberatungsgesprächen, die sich gerade mitten in einem Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren befinden.

Ich habe es bereits einleitend schon angedeutet. An dieser Stelle müssen wir unseren Mandaten immer mitteilen, dass ein Befangenheitsantrag gegen einen Verfahrensbeistand nicht gestellt werden kann.

Aber warum ist das so?

Im Gesetz ist geregelt, dass Gerichtspersonen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können. Bei einem erfolgreichem Befangenheitsantrag wird die betroffene Gerichtsperson vom weiteren Verfahren ausgeschlossen wird. Das regeln § 6 Abs. 1 FamFG und §§ 41 ff ZPO. Zu den Gerichtspersonen zählen zum Beispiel Richter und Sachverständige. Die sind zur Neutralität verpflichtet – und können daher befangen sein, wenn sie nur einer Partei zuhören oder nur einseitig ermitteln.

Der Verfahrensbeistand hingegen ist ein Verfahrensbeteiligter, der gerade nicht zur Neutralität und Objektivität zwischen den Elternteilen verpflichtet ist, sondern die subjektiven, einseitigen Interessen des Kindes im gerichtlichen Verfahren zu vertreten hat. Dabei unterliegt der Verfahrensbeistand weder den Weisungen des Kindes oder eines Verfahrensbeteiligten noch der Aufsicht des Gerichts (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 14.04.2016 – 12 UF 140/15, FamRZ 2016, 1694 (Rn. 6). Er muss sich also gerade ein eigenes Bild von der Situation mit Blick auf die betroffenen Kinder machen und dieses im Verfahren vertreten.

Folglich erreicht der Mandant mit dem Befangenheitsantrag nicht sein Ziel, nämlich die Auswechslung des Verfahrensbeistands. Vielmehr entstehen ihm weitere Kosten, da der Befangenheitsantrag gegen den nicht neutralen Verfahrensbeistand in jedem Fall zurückgewiesen wird.

2. Wann wird ein Verfahrensbeistand von seinem Amt entpflichtet?

Es besteht jedocht trotzdem die Möglichkeit, den Verfahrensbeistand für das betreffende Gerichtsverfahren auszuwechseln, was in der Fachsprache als Entpflichtung bezeichnet wird.

Zwar ist die Entpflichtung nicht explizit und wörtlich im Gesetz geregelt, aber in § 158 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FamFG heißt es beispielsweise, dass das Gericht die Bestellung des Verfahrensbeistands aufhebt, wenn die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

Entscheidend ist also nicht, ob der Verfahrensbeistand nicht neutral ist, sondern vielmehr ob er überhaupt seine Aufgabe erfüllt. Gefährdet der Verfahrensbeistand durch die Ausführung seines Amtes also die Interessen des Kindes – dann ist eine Entpflichtung möglich.

3. Wer nimmt die Entpflichtung des Verfahrensbeistands vor?

Die Entpflichtung bzw. Auswechslung des Verfahrensbeistands während eines noch laufenden kindschaftsrechtlichen Verfahrens erfolgt durch gerichtlichen Beschluss des Familiengerichts. Das Gericht hat in einem Fall, in dem die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde, von Amts wegen zu entscheiden. Das heißt erstmal, dass das Gericht selbst und von sich aus ermitteln muss, ob der Verfahrensbeistand seinen Job auch erfüllt.

Dabei handelt es sich um eine sog. Zwischenentscheidung, da sie nicht das komplette kindschaftsrechtliche Verfahren beendet, sondern nur den bisher zuständigen Verfahrensbeistand auswechselt. Die Entscheidung über die Entpflichtung des Verfahrensbeistands ist gemäß § 158 Abs. 5 FamFG nicht selbständig anfechtbar. Den Verfahrensbeteiligten stehen also gegen den Beschluss, der den bisher bestellten Verfahrensbeistand gegen einen neuen auswechselt oder auch nicht, keine direkten Angriffsmöglichkeiten zur Verfügung. Dies gilt auch für den entpflichteten Verfahrensbeistand selbst – im Verfahren ist ab diesem Zeitpunkt der neue Verfahrensbeistand zuständig.

Sind die Eltern mit der Entscheidung nicht einverstanden, müssen sie die Endentscheidung des Gerichts (zum Beispiel über das Sorgerecht oder über das Umgangsrecht) abwarten. Gegen diese Entscheidung können sie dann Beschwerde einlegen und diese auch maßgeblich darauf zu stützen, dass der Verfahrensbeistand in diesem Verfahren zu Unrecht ausgewechselt oder (meistens) zu Unrecht nicht ausgewechselt worden ist.

4. Kann auch auf Antrag eines Elternteils die Auswechslung des (nicht neutralen) Verfahrensbeistands erfolgen?

Nein. Die Auswechslung des Verfahrensbeistands kann zwar auf Anregung eines Elternteils erfolgen, wenn hinreichend dargelegt wird, dass der Verfahrensbeistand seiner Aufgabe, die subjektiven Interessen des Kindes zu vertreten, nicht gerecht wird. Einen entsprechenden Antrag können die Eltern aber nicht stellen.

Und dies hat Folgen. Denn bei einem Antrag haben Verfahrensbeteiligte regelmäßig einen Anspruch darauf, dass das Gericht über ihren Antrag entscheidet. Dies ist bei einer Anregung gerade nicht der Fall, sodass auf Anregungen auch häufig keine Entscheidung des Gerichtes folgt.

Regt ein Elternteil also an, dass der Verfahrensbeistand nicht neutral ist und seine Aufgabenerfüllung die Interessen des Kindes gefährdet, überprüft das Gericht auf diese Anregung hin, ob die vorgebrachten Argumente für eine Auswechslung ausreichend sind.

Die Entscheidung ergeht aber von Amts wegen, also gerade ohne vorherigen Antrag eines Elternteils.

5. Wann sind die Interessen des Kindes gefährdet?

Die Interessen des Kindes sind dann gefährdet, wenn der Verfahrensbeistand seine Aufgaben in einer Form wahrnimmt, die den Kindesinteressen im individuellen Fall offensichtlich zuwiderlaufen (Splitt FamRB 2020, 331 (334)).

Um zu veranschaulichen, wann das der Fall sein kann, habe ich mal drei Beispiele herausgesucht, in denen ein Verfahrensbeistand ausgewechselt wurde:

a. Verweigerungshaltung des Kindes gegenüber dem Verfahrensbeistand

Ein Verfahrensbeistand ist dann zu entpflichten, wenn er seiner originären Aufgabe, die subjektiven Kindesinteressen zu vertreten, aufgrund einer erheblichen Verweigerungshaltung des Kindes ihm gegenüber nicht nachkommen kann. Das Kind also beispielsweise mit ihm überhaupt nicht reden möchte und dies auch nach mehrmaligen Versuchen nicht möglich ist. In diesen Fällen fehlt ein  hinreichendes Vertrauensverhältnis zwischen Verfahrensbeistand und dem betroffenen Kind. Folglich kann er hier auch nicht die subjektiven Interessen des Kindes vertreten.

b. Unüberbrückbare Differenzen zwischen einem Elternteil und dem Verfahrensbeistand

Ein Verfahrensbeistand ist auch dann auszuwechseln, wenn unüberbrückbare Differenzen zwischen einem Elternteil und dem Verfahrensbeistand bestehen, die eine enorme Schieflage zu Lasten dieses Elternteils bedeuten. In diesen Fällen ist der Verfahrensbeistand oft nicht neutral. Unter unüberbrückbaren Differenzen zwischen dem Verfahrensbeistand und einem Elternteil wird beispielsweise der Fall gezählt, in dem ein Verfahrensbeistand gegenüber einem Elternteil während des laufenden familiengerichtlichen Verfahrens Strafanzeige erstattet hat und der Verfahrensbeistand aufgrund dessen keine Gespräche mit dem betroffenen Elternteil führen konnte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 01.08.2013 – 5 UF 62/13, FamRZ 2014, 1136 (Rn. 7)).

In diesem beispielhaften Beschluss führt das OLG Karlsruhe das auch nachvollziehbar aus:

Beachtenswerte Gründe für eine Aufhebung der Verfahrensbeistandschaft nach objektiven Gesichtspunkten sind gegeben, wenn zwischen dem Verfahrensbeistand und einem Elternteil beidseitig unüberbrückbare, im Persönlichen begründete Differenzen bestehen, die eine fortgesetzte am Kindeswohl orientierte Wahrnehmung der Kindesinteressen, insbesondere auch die Durchführung der im Kindeswohl liegenden Gespräche des Verfahrensbeistands mit den Eltern, unmöglich erscheinen lassen. Dies kann etwa auch daraus resultieren, dass ein Verfahrensbeistand – berechtigt oder nicht – Strafanzeige gegen einen Elternteil erstattet. In diesen Fällen eines unüberbrückbaren Gegensatzes, der eine gedeihliche kindeswohlförderliche Gesprächsführung ausschließt, ist zumindest im Einzelfall nach objektiven Gesichtspunkten eine Aufhebung der Verfahrensbeistandschaft geboten. (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 01.08.2013 – 5 UF 62/13, FamRZ 2014, 1136 (Rn. 7)).

 

c. Weiteres Beispiel aus der Praxis – Beschluss des AG Göttingen vom 12.04.2023 – 46 F 304/22

Einen weiteren Beispielsfall liefert das Amtsgericht Göttingen. Auch hier musste der Verfahrensbeistand ausgewechselt werden.

In diesem Beschluss ist das Amtsgericht Göttingen der Anregung der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters gefolgt und hat den bisher zuständigen Verfahrensbeistand entpflichtet und gegen einen neuen Verfahrensbeistand ausgewechselt.

Was war die Ausgangssituation?

Der Kindesvater wollte den regelmäßigen Umgang mit dem gemeinsamen Sohn nach der Trennung der Eltern gerichtlich regeln lassen. Die Mutter warf dem Kindesvater im Verfahren massive Gewalt gegenüber ihr und dem gemeinsamen Sohn vor und wollte auf diese Weise das Umgangsrecht des Kindesvaters einschränken. Der Verfahrensbeistand glaubte den Vorwürfen der Mutter, obwohl diese streitig waren und setzte sich nicht näher mit den Aussagen des Vaters hierzu auseinander. Er empfahl gegenüber dem Gericht ohne eine gesicherte Tatsachengrundlage hierfür zu haben, dass der Umgang ausgeschlossen werden müsse.

In den Gründen zu dieser Entscheidung heißt es:

Vorliegend ist davon auszugehen, dass eine Fortführung des Amtes durch den bisherigen Verfahrensbeistand die Interessen des Kindes nicht unerheblich gefährden würde, weil der Verfahrensbeistand seine Aufgaben in einer die Kindesinteressen offenkundig und erheblich verkennenden Weise wahrnimmt (AG Göttingen vom 12.04.2023 – 46 F 304/22, Rn. 2).

Der Bericht des Verfahrensbeistandes war nicht neutral:

Das Gericht führt im Weiteren aus, dass bereits die fachliche Empfehlung in der eingereichten Stellungnahme des Verfahrensbeistands erheblichen Bedenken begegnet. Denn die Empfehlung, den Umgang des Kindesvaters mit dem betroffenen Kind auszuschließen, beruht auf keiner gesicherten Tatsachengrundlage. Der Verfahrensbeistand stellte in seinem Bericht, die von der Kindesmutter vorgebrachten Gewaltvorwürfe gegenüber dem Kindesvater als gegeben dar. Diese sind zwischen den Parteien aber gerade streitig waren. Dennoch schließt der Verfahrensbeistand ohne weitere Nachweise darauf, dass das Kind durch die fortwährenden Gewalttätigkeiten des Vaters traumatisiert sei.

Der Verfahrensbeistand muss beide Seiten berücksichtigen:

Weiter heißt es in den Gründen:

[…] Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen des Verfahrensbeistands, nach einem einmaligen Besuch im mütterlichen Haushalt ohne Durchführung von Interaktionsbeobachtungen aufgrund einiger weniger Verhaltensweisen des Kindes eine Traumatisierung festzustellen, fachlich nicht nachzuvollziehen. Soweit der Verfahrensbeistand im Rahmen seiner Stellungnahme vom 20.2.2023 ausgeführt hat, dass seine Beobachtungen durch die psychologisch ausgebildete Fachkraft und Zeugin Frau W bestätigt worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass die zeugenschaftliche Vernehmung der Frau W im Termin am 16.1.2023 weitestgehend unergiebig geblieben ist, weil das Kind zu keinem Zeitpunkt durch sie untersucht worden ist. Gleichermaßen unterstellt der Verfahrensbeistand, dass der Kindesvater das Kind ungefragt nach Bremerhaven mitgenommen habe, was allerdings nicht festgestellt werden konnte. Die unreflektierte Vorgehensweise des Verfahrensbeistands hat zur Folge, dass dieser auch im weiteren Verlauf des Verfahrens das Interesse des Kindes auf Umgang mit dem leiblichen Vater sowie das regelmäßig bestehende Entwicklungsrisiko bei Abbruch des Kontakts zu einer nahen Bezugsperson völlig unberücksichtigt gelassen hat, sondern ohne jegliche Abwägung der bestehenden Risiken auf die Gefahr einer Retraumatisierung hinweist und hiermit den empfohlenen Umgangsausschluss begründet. Selbst die Einholung eines Sachverständigengutachtens hat der Verfahrensbeistand insoweit nicht für erforderlich erachtet.  (AG Göttingen vom 12.04.2023 – 46 F 304/22, Rn. 2).

[…]Des Weiteren erscheint das Vorgehen des Verfahrensbeistands in erheblichem Maße geeignet, den bestehenden Elternkonflikt auszuweiten und die Meinungsverschiedenheiten der Eltern zu vertiefen (AG Göttingen vom 12.04.2023 – 46 F 304/22, Rn. 3).

[…]Zwar ist ein Verfahrensbeistand anders als ein gerichtlicher Sachverständiger nicht zu Objektivität und Neutralität verpflichtet. Allerdings steht die im hiesigen Verfahren offen zutage getretene einseitige Parteinahme des Verfahrensbeistands zugunsten der Kindesmutter einer im Kindesinteresse liegenden nachhaltigen Befriedung des familiären Konflikts klar entgegen (AG Göttingen vom 12.04.2023 – 46 F 304/22, Rn. 3).

Entpflichtung des Verfahrensbeistandes:

Das Gericht hat hier also in einer Abwägung die verschiedenen Interessen in ein Verhältnis gesetzt. Es hat noch einmal richtigerweise deutlich gemacht, dass ein Verfahrensbeistand zwar nicht zur Neutralität verpflichtet ist, dass jedoch eine in extremem Maße einseitige Würdigung der Aussagen der Eltern nicht mit den Interessen des Kindes vereinbar sein kann. Und es hat den Verfahrensbeistand dann auch entpflichtet.

Auch das Kammergericht Berlin hat die Anforderungen und die verschiedenen Interessen in einem Beschluss vom 20.08.2021 – 16 UF 2/21 nochmal anschaulich zusammengefasst:

Bei der Auslegung des Prüfungsmaßstabes der „Gefährdung der Kindesinteressen“ nach § 158 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FamFG, bei deren Vorliegen die Bestellung des Verfahrensbeistands  aufzuheben ist, hat das Familiengericht das Spannungsverhältnis zwischen seiner Pflicht, dem minderjährigen Kind zur Wahrnehmung seiner verfahrensrechtlichen Interessen einen in persönlicher und fachlicher Hinsicht geeigneten Verfahrensbeistands zu bestellen und dem Umstand, dass der Verfahrensbeistand ein einseitiger Vertreter des Kindes ist, der seine Aufgaben eigenständig, frei von Weisungen wahrnimmt und weder unter der „Oberaufsicht“ des Familiengerichts steht noch zur Objektivität oder Neutralität verpflichtet ist, zu berücksichtigen. Dieser „advokatorische Charakter“ des Anwalts des Kindes macht es erforderlich, den Prüfungsmaßstab für eine Aufhebung der Bestellung äußerst restriktiv und mit größter Zurückhaltung zu handhaben (KG Berlin, Beschluss vom 20.08.2021 – 16 UF 2/21, Rn. 11).

d. Auswechslung des Verfahrensbeistandes nur in Ausnahmefällen möglich

Eine Auswechslung des Verfahrensbeistandes ist nach diesen Beispielen also nur möglich, wenn er in seinen Handlungen die subjektiven Kindesinteressen nicht im Blick hat. Neutralität und Objektivität gehören gerade nicht zu seinem Aufgabenbereich.

Aber auch das hat natürlich Grenzen. Auch der Verfahrensbeistand darf nicht einfach einseitige Schilderungen zugrunde legen, sondern muss sich mit beiden Elternteilen auseinandersetzen. Denn entscheidend ist, dass sich solch ein Verhalten des Verfahrensbeistands negativ auf die Vertretung der subjektiven, einseitigen Kindesinteressen auswirkt und ihn dies folgerichtig fachlich unqualifiziert werden lässt.

Fazit: Auswechslung des Verfahrensbeistandes nur in Ausnahmefällen

Unser Fazit zu der Frage lautet: Der Verfahrensbeistand ist nicht neutral – Kann ich ihn auswechseln? In den meisten Fällen nicht. Die alleinige Begründung, der Verfahrensbeistand würde den jeweiligen anderen Elternteil vorziehen, genügt nicht als Begründung, um den Verfahrensbeistand auszuwechseln. Aufgabe des Verfahrensbeistands in kindschaftsrechtlichen Verfahren ist es gerade die subjektiven Interessen des Kindes zu vertreten. Er ist nicht verpflichtet, neutral zu agieren. Was der Verfahrensbeistand als die subjektiven Interessen des Kindes wahrnimmt, kann oftmals von der Wahrnehmung eines Elternteils abweichen. Vor allem gerade dann, wenn die Empfehlung des Verfahrensbeistands gegen die Interessen dieses Elternteils spricht.

Um eine Auswechslung des Verfahrensbeistands zu erreichen, ist es also nicht ausreichend vorzutragen, der Verfahrensbeistand sei gegenüber einem Elternteil voreingenommen gewesen.

Wenn ein Elternteil in der Arbeit des Verfahrensbeistands massive Mängel erkennt, müssen diese nachweislich und ausführlich dargelegt werden. Die Entscheidung der Auswechslung des Verfahrensbeistands während des gerichtlichen Verfahrens liegt dann beim Familiengericht. Auch hier gilt es, immer den Fokus beim Kind behalten und sich folgende Fragen zu stellen: Inwiefern hat die Arbeit des Verfahrensbeistands einen Nachteil für das Kind im Prozess bewirkt? An welcher Stelle ist der Verfahrensbeistand von seinem Aufgabenbereich abgewichen bzw. hat sich übergriffig verhalten?

Nur wenn diese Fragen eindeutig beantwortet werden können, kann eine Auswechslung des Verfahrensbeistandes sinnvoll angeregt werden.

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