Heute mal ein kleiner Ausflug in das Verwaltungsrecht. Denn im Februar diesen Jahres wurde durch die obergerichtliche Rechtsprechung noch einmal den Vorrang der gerichtlichen Entscheidung vor der Inobhutnahme durch das Jugendamt verdeutlicht.
Das OVG Münster hat in einem Beschluss aus diesem Februar (OVG Münster, Beschluss vom 7.2.2022 –12 A 1402/18) über die Rechtswidrigkeit einer Inobhutnahme eines 2008 geborenen Jungen entschieden. Dieser war von der Kindesmutter selbst in einer Wohngruppe untergebracht worden, nachdem sie sich mit der Erziehung von dem unter dem Asperger-Syndrom leidenden Kind und seinem ebenfalls chronisch erkrankten Bruder teilweise überfordert fühlte.
Nachdem die Kindesmutter ihr Einverständnis zur Unterbringung des Kindes zurückziehen wollte und seitens des Jugendamtes die Annahme bestand, die Kindesmutter würde sich in Folge ihrer Überforderung gewalttätig gegenüber dem Jungen zeigen, erklärte dieses die Inobhutnahme gem. § 42 I 1 Nr. 2 SGB VIII. Nach dieser Norm ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
Genau auf den letzten Halbsatz der Norm kam es hier an. Denn das zuständige Jugendamt hat vor der Inobhutnahme gerade nicht versucht, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Vorrangigkeit wird in der Praxis nur allzu häufig unterschätzt und voreilig eine Eilbedürftigkeit („nicht rechtzeitig“) angenommen. Das OVG Münster hat noch einmal anschaulich herausgearbeitet, dass es gerade darauf ankommt, dass zumindest die Kontaktaufnahme zum Familiengericht versucht werden muss, bevor das Jugendamt die Inobhutnahme von Kindern oder Jugendlichen anordnet. Denn aufgrund der Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung (sog. Eilrechtsschutz; d.h. hier handelt das Gericht besonders schnell) und dem Vorhandensein von Bereitschaftsdiensten bei den Gerichten kommt eine Inobhutnahme ohne Einholung einer familiengerichtlichen Entscheidung grundsätzlich nur in besonders gelagerten akuten Gefährdungssituationen in Betracht.
Eine solche besondere Gefährdungssituation hat in dem Fall, den das OVG Münster im Februar diesen Jahres entschieden hat, gerade nicht vorgelegen. Das Kind befand sich nämlich bereits in einer Einrichtung und es ging lediglich um die Aufrechterhaltung seiner weiteren Unterbringung, sodass eine besondere Gefährdungslage für die körperliche oder psychische Integrität gar nicht zu befürchten war. Das zuständige Jugendamt hätte damit zuerst das Familiengericht anrufen müssen, bevor es die Inobhutnahme anordnet.
Übrigens bedeutet die Inobhutnahme einen schweren Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Elternrechte aus Art. 6 II GG. Denn Während der Inobhutnahme hat das Jugendamt die Stellung des Personensorgeberechtigten. Der Gesetzgeber hat deswegen ganz bewusst in § 42 I 1 Nr. 2 SGB VIII die Vorrangigkeit der gerichtlichen Entscheidung angeordnet.
Anders als viele glauben, kann man auch nachdem die Inobhutnahme durchgeführt wurde noch (verwaltungsgerichtlichen) Rechtsschutz gegen diese Maßnahme erhalten. Nämlich über die sog. Fortsetzungsfeststellungklage, durch welche die Rechtswidrigkeit verwaltungsrechtlichen Handelns auch noch nach der sog. Erledigung festgestellt werden kann. Dies kann Voraussetzung für die Geltendmachung etwaiger Schadenersatzansprüche gegen die handelnde Behörde sein.
Die Entscheidung des OVG ist damit auch für Eltern interessant, denen eine Inobhutnahme droht oder diese vom Jugendamt angekündigt wurde. Es kann sich lohnen, auf die Vorrangigkeit der gerichtlichen Entscheidung aktiv hinzuweisen und notfalls selbstständig das Familiengericht anzurufen (d.h. einen Antrag zu stellen).
Falls Sie zu diesem Thema mehr Informationen wünschen, oder spezielle Fragen in Ihrer eigenen Angelegenheit haben, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.
Man hat Widerspruch eingelegt nach Inobhutnahme von vier Kinder. Juni 2022 und hat an einem familiären und psychologischen Gutachten teilgenommen. Es wurde eindeutig geklärt, dass alle vier Kinder nicht geschädigt wurden und zukünftig geschädigt werden bei den Eltern. Bei der ersten familiengerichtlichen Anhörung hat der Anwalt der Eltern auch erklärt den Widerspruch der Inobhutnahme aufrechtzuerhalten. Kann man nach Beschluss das den Eltern alle Rechte beibehalten worden sind und die Rückführung in den 2 Wochen Weihnachtsferien 2023 stattfinden muss diesen Widerspruch nun auch gerichtlich klären lassen?
Wir sind uns nicht ganz sicher, was genau Ihre Frage ist. Prinzipiell können Sie die Fragen von Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme vor dem Verwaltungsgericht klären und ggf. über Schadensersatz nachdenken. Buchen Sie dazu gerne eine Erstberatung bei uns.